Herzlichen Glückwunsch, wenn Sie dieses Kapitel erreicht haben, dann haben Sie bereits wesentliche Hürden auf dem Weg zu Ihrem Film genommen. Der Film hat eine Handlung, die strukturiert ist, Sinn macht und “funktioniert”. Sie haben Ihren Film als stummes Animatic schon gesehen und sind der Meinung, weiter an diesem Projekt arbeiten zu wollen. Dann werden wir jetzt noch näher an das Endergebnis kommen, so langsam wird es aufregend.
Warum Ton? Warum jetzt?
Ich unterteile den Ton hier mal grob in zwei unterschiedliche Kanäle, obwohl man ihn noch viel feiner unterteilen kann. Menschen können unglaublich viele Informationen aus dem Ton entnehmen, ich würde sagen, er macht 50 Prozent der Wirkung eines Films aus. Das glauben Sie nicht? Schauen Sie ihren Lieblingsfilm doch einmal stumm, wie viel bleibt übrig?
(Ach so, Ihr Lieblingsfilm ist ein Stummfilm? Der General, mit Buster Keaton? Na gut, dann schneiden Sie die Texteinblendungen weg.) Ich empfehle, zum Beispiel die letzte Einstellung in Alien: Dort kommen glühende Funken und heiße Gase aus dem Triebwerk des Raumschiffes Nostromo. Nun mal den Ton abdrehen: Was “sehen” Sie jetzt? (Jedenfalls kein Triebwerk und keine Hitze mehr)
Ton ist wichtig
Damit ist die Frage nach dem Warum wohl klar: Der Ton ist die halbe Miete! Mit Tonspur können Sie Ihr Animatic viel besser beurteilen und in seiner Wirkung abschätzen. Es gibt aber noch einen Grund und der ist ebenso wichtig:
Ton ist Timing!
Die Tonspur gibt Ihrem Film ein Zeitverhalten vor, er erzwingt es! Wenn Sätze gesprochen werden, dann dauert das eine ganz spezifische Zeit. Sie können an dieser Zeit nicht viel ändern, außer Sie ändern den Satz, der gesprochen werden muss. Es ist wichtig, dass Sie sich jetzt über die Länge Ihrer Szenen genauer klar werden und dass Sie auch eine klarere Abschätzung der Gesamtlänge Ihres Films bekommen. (Vermutlich wird Ihr Film länger, weil es auch stumme Abschnitte gibt, aber wir kommen der “Wahrheit” auf diese Weise immer näher – und zwar bevor wir uns die Finger wund animiert haben.)
Wie geht das?
Im Grunde ist es ganz einfach: Sie müssen die Dialoge sprechen oder sprechen lassen. Ich verfahre so, daß ich sie zunächst selbst aufnehme und später noch einmal von einem “professionelleren” Sprecher sprechen lasse. Das tue ich deswegen, weil ich die Texte, nachdem ich sie einmal gesprochen habe, noch ändere. Wenn man einen Sprecher bestellt hat, ärgert man sich, falls man ihn wegen jeder Änderung neu bestellen muss.
Tonaufnahme – was braucht man dazu?
Also: Sie brauchen einen Raum, der möglichst nicht hallt, ideal ist natürlich ein Tonstudio. Sie brauchen ein gutes Mikrofon (ab 70 Euro aufwärts) und ein Aufzeichnungsgerät für Audio. Ich zeichne den Sprecherton nicht direkt am Computer auf, weil mich das Lüftungsgeräusch stört. Ich nehme also zunächst auf ein kleines leises Aufzeichnungsgerät auf und danach übertrage ich den störungsfreien Ton auf den Rechner. Na, Aie werden Ihre Arbeitsweise da schon entwickeln. Ein gutes Mikrofon bekommen Sie im Versand oder in einem Musikalienhandel. Ich spreche meine Texte meistens in ein simples MK 50 und bin damit sehr zufrieden. Gehen Sie dafür nicht in einen Laden, wo man billige Fernseher kaufen kann, außer Sie kennen sich aus. Sie bekommen gute und preisgünstige Ware bei Reichelt oder Thomann. Eventuell lohnt sich auch ein kleines Mischpult für 100 Euro, weil das gut zwischen das Mikrofon und den Audio-Eingang Ihres Computers passt. Einfacher geht es mit einem sogenannten “mobilen Recorder”, z.b. dem Zoom H-2. So ein Gerät hat keine Laufgeräusche, speichert das Signal auf einer Chipkarte und hat einen USB-Anschluss. Ideal wäre es auch, wenn Sie in Ihrer Bekanntschaft einen Musiker hätten, der sich damit auskennt. Tonaufnahmen sind leider anders als alles andere! Anders als Video, anders als animieren und anders als Fotos. Ton ist eine Sache für sich, die aber viel Spaß machen kann. Hatte ich schon erwähnt, dass Sie für einen Animationsfilm viele Talente entwickeln müssen? Eigentlich alles außer schnell rennen – obwohl auch das helfen kann, falls das Publikum Ihren Film nicht mag.
Alles gesprochene aufnehmen
Nehmen Sie alle Dialoge auf und vergessen Sie nicht, den Sprecher aus dem Off auch aufzunehmen, falls Sie einen haben. Das gilt in Animationen zu Anfang des Jahrtausends eher als unfein, ich persönlich mag Sprecher aus dem Off und pfeife gern auf modische Dogmen, zumal diese sich sicher bald wieder ändern.
Musical Beds
Denken Sie auch an musikalische Vorlagen, die emotional Ihre Szenen unterstützen. Sie brauchen jetzt noch nicht das London Symphony-Orchestra zu engagieren: Ihre CD-Sammlung oder eine Sound-Bibliothek wie Apple-Soundtrack oder Garageband tun es zunächst. Ich habe damit sogar die gesamte Musik für EINS bis zum finalen Werk gemacht. Sie können natürlich auch ein Klavier nehmen und darauf herumklimpern, falls Sie ein Zoom-H2 gekauft haben. Vor der Veröffentlichung Ihres Films müssen Sie über fremde Rechte nachdenken und eventuell eine verwendete Musik ersetzen durch eine, an der Sie selbst die Rechte haben. Das gilt übrigens für alle medialen Inhalte, die Sie “verwerten”. Die Frage der Rechte ist kompliziert und für den Laien nicht immer eindeutig aufzuklären. Befassen Sie sich mit dieser Frage, wenn Sie das Problem haben: Also erst, wenn Sie vor der Veröffentlichung stehen. Zum jetzigen Zeitpunkt können Sie nichts gebrauchen, was Sie in Ihrer Kreativität hemmt. Vermutlich ändern Sie die Musik ohnehin noch dreimal.
Versprecher
Beim Aufnehmen machen Sie sicher Versprecher. Nehmen Sie mehrfach auf und suchen Sie sich aus jedem Take das beste Stück Audio heraus. Das können Sie zum Beispiel mit der frei verfügbaren Software Audacity tun.
Im nächsten Kapitel wenden wir uns dem vertonten Animatic zu. Sie haben also zwei Wochen Zeit, Ihr vertontes Animatic herzustellen.