Sachkosten

In zwei Wochen schreiben Sie Ihren Film auf. In sechs Wochen haben Sie ein Storyboard. Es wird Zeit, sich mit der Frage zu befassen, was Sie der ganze Spaß wohl kosten wird.

Kosten

“Was kostet mein Film eigentlich?”, könnten Sie sich fragen. Zu Recht, denn neben Ihrer knapp bemessenen Arbeitskraft benötigen Sie auch etwas Geld, um den Film zu erstellen, ganz ohne Geld geht es nicht: Es kann ja sein, dass Sie diesen Punkt übersehen haben und Ihr Film mitten in der Produktion an den Finanzen scheitert. Das sollten Sie vermeiden! Oder Sie haben den Film fertig, aber kein Geld mehr, um ihn bei den Festivals einzureichen! Kein Witz, das kann passieren. Also schauen wir auch mal auf das liebe Geld:

Was müssen Sie haben?

1 Computerarbeitsplatz
1 Festplatte für Backups
Porto für das Versenden an Festivals
Festivals in England und den USA verlangen eine Gebühr (!)
Medien für das Versenden an Festivals (DVD-R, DV-Band, etc.)
Kaffee
Webspace für die Dokumentation Ihres Films
Budget für Notfälle
Reisekasse, um die Festivals zu besuchen
Softwarelizenzen, potenziell der teuerste Posten oder der billigste
Ihre kostbare Zeit

Gehen wir die Posten durch:

Computerarbeitsplatz

Sie brauchen einen Computer, der grafikfähig ist, genügend Rechenleistung hat und mindestens noch für die Produktionszeit Ihres Films durchhält. Vor 10 Jahren hätte ich gesagt: “Sie brauchen einen schnellen und teuren Computer”. Das ist nicht mehr so, falls Sie ein Gerät bei einem Discounter erwerben, reicht das völlig aus. Ach, bei Ihnen steht schon ein Gerät auf dem Schreibtisch? Umso besser, wenn das nicht älter ist als 4 Jahre, nehmen Sie das erst mal. Sie können sich später immer noch entscheiden, eine 32-Core-Maschine mit superstromfressender Grafikkarte anzuschaffen, die einen Rabatz macht, als würde ein Hovercraft durch Ihr Wohnzimmer heulen.

Es ist ökonomisch am sinnvollsten, eine schnelle Maschine erst dann anzuschaffen, wenn Sie ihren Film wirklich rendern, also erst in der letzten Projektphase. Noch sinnvoller, wenn Sie diese Maschine direkt nach der Produktion wieder verkaufen. Ich persönlich hänge sehr an meinen (Apple-)Computern und weiche daher oft selbst von diesem Tipp ab. Machen Sie es klüger als ich!
Es gibt noch einen zweiten Grund für eine kleinere Maschine, der für Grafikanfänger wichtig sein kann: Wenn die Maschine etwas langsamer rechnet, zwingen Sie sich selbst, die Szene schlank zu halten, sie zu optimieren. Wenn das unterbleibt, haben Sie am Ende schwer zu editierende und teuer zu rendernde Szenen und müssen womöglich noch einen Renderservice beauftragen. Von der CO2-Bilanz will ich gar nicht erst anfangen.

Festplatte für Backups

Sie müssen unbedingt Ihre Arbeiten sichern und möglichst an einem getrennten Ort lagern. Dazu brauchen Sie eine – besser zwei – externe Festplatten. Während ich dieses Kapitel schreibe, kostet ein Terabyte extern ca. 50 Euro. Vermutlich kriegt man so eine Festplatte bald als Werbegeschenk nachgeworfen. Speicherplatz, um Ihre Arbeiten zu sichern, ist also kein Kostenfaktor mehr. Umso peinlicher wird es für Sie, wenn Ihr Film verloren geht, weil Sie es versäumen, ihn zu sichern. Mal abgesehen von dem Schmerz, den Sie sich selbst mit einem Datenverlust zufügen. Ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe 1998 ein Animationsprojekt verloren, als sich mein damaliger Leichtsinn mit einem kranken Betriebssystem gegen diesen Film verschwor.

Sichern Sie Ihre Arbeiten regelmäßig. Am besten haben Sie ständig zwei Backups, das aktuelle und das vom Sicherungslauf davor. Es kann nämlich passieren, dass der Blitz einschlägt, während Sie sichern. Dann sind das Original und die Sicherungskopie weg. Aber Sie haben noch das Backup vom Sicherungslauf davor! Ha! Blitz, wo ist dein Stachel? Kabelbrand, wo ist dein Schrecken?

Bedenken Sie, dass im Laufe eines Jahres – oder vielleicht auch zwei – einmal ein Unglück passieren kann: Wasserschaden, Wohnungsbrand, Einbruch. Wenn Sie Ihr Backup an einem getrennten Ort lagern, schlafen Sie wirklich ruhiger und können dann wieder umso entspannter an Ihrem Film arbeiten.

Porto, Medien

Sie werden Ihren Film auf Medien brennen und an Festivals verschicken. Es gibt zwar zunehmend Online-Services wie Reelport oder Withoutabox, sodass Sie keine Hardware mehr verschicken müssen. Aber es gibt eine Menge Festivals, die von Ihnen ein DV-Band, eine DVD oder ein anderes Medium zugeschickt haben wollen.

Manche Festivals, wie z.B. die SIGGRAPH, bieten eine eigene Schnittstelle im Internet, wo Sie ihren Film hochladen können. Sie sparen dann Geld, müssen aber etwas mehr Zeit mitbringen, denn das Hochladen gestaltet sich manchmal als komplizierter Vorgang, mit dem man sich etwas befassen muss. Jedenfalls war das 2009 noch so.

Festivalgebühren

In Europa gibt es sehr viele Kurzfilmfestivals, die gar keine Gebühren für das Einsenden verlangen. Und wenn Gebühren verlangt werden, dann handelt es sich um geringe Beträge zwischen 2,50 und 25 Euro. In den USA ist die Teilnahme an Festivals schon teurer, rechnen Sie mit 50 $ pro Teilnahme oder etwas mehr. Aber auch in den USA gibt es Festivals, die keine Einsendegebühren erheben, z.B. die SIGGRAPH, das vielleicht größte und bekannteste Ereignis zum Thema Computergrafik und -animation.

Kaffee

Trinken Sie auch viel Kaffee? Vielleicht nicht. Dennoch ist dieser Punkt nicht völlig sinnlos. Sie brauchen etwas, um während Ihrer knappen Stunden gut arbeiten zu können? Egal was es ist: Kaugummi, Kaffee oder Knäckebrot. Sorgen Sie dafür, dass Sie es vorrätig haben, wenn Sie arbeiten. Es ist ärgerlich, wenn Ihre kostbare Mittwochabend-Stunde flöten geht, weil Sie keinen Kaffee im Haus haben oder Kakao oder was auch immer. Falls Ihr Bedarf nicht mit “K” anfängt, ist das kein Grund zur Sorge.

Übung

Nehmen Sie den Kaffee-Punkt symbolisch: Um effektiv voranzukommen, müssen Sie sich in der knappen Zeit, die Sie für den Film haben, optimal konzentrieren können. Was immer dazu nötig ist: Stellen Sie die Situation her, die Sie brauchen. Schalten Sie das Telefon ab, beginnen Sie Ihre Arbeit mit einem Ritual, das Sie in die nötige Ruhe und Konzentration versetzt, vermeiden Sie ärgerliche Gespräche direkt vor Ihrer Arbeit am Film. Und wenn es mal gar nicht geht – machen Sie einen Spaziergang. Sie werden schon sehen, dabei kommt Ihnen eine tolle Idee, die Sie nicht haben, wenn Sie sich zur Arbeit “zwingen”.

Internetkosten

Sie sollten Ihren Film dokumentieren. Erstellen Sie eine Webseite, nachdem oder während Sie ihn an die Festivals schicken. Sie haben so viel Arbeit hineingesteckt, warum nicht die Welt daran teilhaben lassen? Vor einigen Jahren hätte es noch bedeutet, einen eigenen Webserver bei einem Provider zu betreiben, wie ich es mit dieser Seite hier mache. Heutzutage bekommen Sie den Webspace auch kostenlos, z.B. bei Facebook oder WordPress. Dann brauchen Sie nur noch etwas Geduld und eine Flatrate.

Veröffentlichen des Films im Internet

Sollten Sie Ihren Film im Internet veröffentlichen? Ich würde sagen: Warten Sie damit etwas. Zunächst würde ich den Film an die Festivals schicken. Dann sollten Sie sich überlegen, ob sie den Film verkaufen können. Erst nach der Auswertung durch die Festivals (oder nach kompletter Ablehnung durch alle Festivals) würde ich den Film im Internet zeigen. Ich selbst ärgere mich, wenn ich einen Film auf einem Festival sehe, den ich letzte Woche schon bei Youtube geschaut habe. Bei Youtube war es nur das halbe Erlebnis, auf dem Festival stellt sich nun keine Freude mehr ein, der Film wurde durch die Vorab-Veröffentlichung ein bisschen “verbrannt”. Auf einem Festival hingegen können Sie sich der konzentrierten Aufmerksamkeit des Publikums ziemlich gewiss sein!

Budget für Notfälle

Ihr Computer kann einen Defekt bekommen. Eine Festplatte kann den Geist aufgeben oder Ihr Haus brennt ab. Sie brauchen ein Budget, auf das Sie notfalls zurückgreifen können, damit Sie einen neuen Computer kaufen können, sonst wird Ihr Film nicht fertig – wegen der Nichtigkeit eines Wohnungsbrandes.

Reisekasse

Innerhalb Deutschlands können Sie die Festivals recht gut mit dem Auto erreichen. Es gibt Festivals, auf deren Gelände Sie günstig zelten können. Meistens wird man Ihnen bei der Suche nach einer billigen Übernachtungsmöglichkeit helfen, denn die Festivals haben ein Interesse, Sie als Filmschaffenden vor Ort zu haben, das ist für das Publikum der Festivals interessanter. (Natürlich nur, wenn Ihr Film auch zum Festival eingeladen wurde.) Der Festival-Leitung ist im Allgemeinen klar, dass Sie pleite sind. Sie lernen auf diesen Festivals weitere Filmschaffende kennen, was wichtig für Sie ist, sofern Sie noch weitere Filme machen wollen.

Softwarelizenzen

Ja, das kann der teuerste Punkt werden. Software zur 3D-Animation kann viele tausend Euro kosten. Günstige Software gibt es schon für wenige hundert Euro und es gibt sogar kostenlose 3D-Software zum legalen Download. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Software “Blender”. Falls Sie ohnehin 3D-Software einsetzen, ist der Fall für Sie wohl geklärt. Falls nicht, warten Sie mit der Anschaffung, bis Sie Ihr Drehbuch und Ihr Storyboard haben, denn dann können Sie besser abschätzen, was Sie brauchen. Also: Software kann sehr teuer werden oder kostenlos sein. Klingt absurd, nicht wahr? Finde ich auch. Ich selbst setze kommerzielle Software ein, weil ich mir einbilde, damit effektiver zu sein. Ob das wohl stimmt? Wirklich überprüft habe ich es nur selten – und dann habe ich manchmal eine Überraschung erlebt!

Ihre kostbare Zeit

Vergessen Sie nicht, auch ihre Stunden mitzurechnen. Setzen Sie einfach mal 50 Euro für eine Arbeitsstunde an und arbeiten Sie auch so ernsthaft an der Sache, als ob Sie 50 Euro dafür bekämen.

Ich teile die Leserschaft heimlich grob in drei Gruppen ein – jede dieser Gruppen hat ein eigenes Problem mit der Fertigstellung ihres Films:
1. verarmte Bohemiens. Diese Gruppe hat eine gute Chance, den Film fertig zu kriegen, scheitert aber an den Portokosten für das Festival. Diese Gruppe hat Zeit und Antrieb, aber manchmal kein Geld in der Kasse.
2. Bezieher eines regelmäßigen Einkommens: Diese Gruppe hat genügend Geld und Antrieb, verpulvert ihre Energie aber mit dem regelmäßigen Verdienen des Geldes und hat extrem wenig Zeit für den Film übrig. Die Gefahr für den Film geht hier eindeutig davon aus, dass man zu wenig Zeit und Energie übrig hat.
3. Saturierte Erben und Lottogewinner: Diese Gruppe hat Zeit und Geld, aber oft Probleme mit der Eigenmotivation. Deren Film wird vor allem dadurch gefährdet, dass er gar nicht erst in Angriff genommen wird.
Ich persönlich schätze die Chancen für einen guten Film am höchsten in der ersten Gruppe ein oder bei jemandem, der sich von Gruppe 2 in Gruppe 1 bewegt. Momentan wohl die halbe Republik – eine gute Zeit für Filme!

Übung

Machen Sie eine Kostenaufstellung. Schätzen Sie ein, ob Sie die nötigen Finanzen aufbringen können. Treiben Sie ggf. Geld auf. Sie wollen nicht kurz vor Schluss die Arbeiten einstellen müssen und dann alle Deadlines des Jahres verpassen, nur weil Sie Geld brauchen.

4 Responses to Sachkosten

  1. R. Meyer says:

    Ein sehr amüsanter Artikel über das Thema Kosten! Habe beim Lesen oft geschmunzelt und gelacht.

  2. Hallo Jens,

    ich würde an dieser Stelle auch den Zeitfaktor berücksichtigen, den ich brauche, um mich in eine neu gekaufte Software einzuarbeiten. Die frage ist ja oft nicht: Was kann die Software, die ich einsetze? sondern: Was kann ICH mit der Software machen? Beherrsche ich die notwendigen Funktionen, um meinen Film damit zu erstellen?

    Denn ist man nicht schon fit in irgendeiner 3D-Software, sollte man dafür gut ein paar Monate einplanen.

    Gruß,
    Dietmar

  3. jens bendig says:

    Lieber Dietmar,
    Erst lernen, dann animieren, verstehe. Es gibt aber auch ein interessantes Phänomen: Die Werkzeuge die ich schon beherrsche führen mich automatisch auf machbare Einfälle. Warum nicht so vorgehen? Ansonsten läuft man Gefahr, jahrelang vor sich hin zu üben, ohne je einen Film zu machen. Und: Wenn man ohne klares Ziel übt, kann es sogar sein, daß man unnötiges lernt oder sich beim lernen auf unwesentliches konzentriert. Deswegen sehe ich das tatsächlich anders: Erst mal rein ins Wasser, schwimmen lernt man unterwegs.

    Viele Grüße

    Jens