Herzlichen Glückwunsch! Sie haben jetzt einen Stundenplan, den Sie einhalten: Damit ist gesichert, dass Sie pro Woche eine bestimmte Stundenzahl an Ihrem Film arbeiten werden. Sie haben die Übung doch gemacht, oder?
Wo möchten Sie Ihren Film zeigen?
Denken Sie darüber nach, in welchen Ländern Sie Ihren Film zeigen wollen. In wie vielen Sprachen wollen Sie ihn produzieren? Ausschließlich auf Deutsch? Dann entgeht Ihnen die Chance, den Film auf vielen amerikanischen Festivals zu zeigen. Wenn Sie eine Fremdsprache unterstützen, wie wollen Sie das tun? In vollem Umfang, also in gesprochenem Text, in Texten, die in den Szenen vorkommen, z.B. Beschriftungen etc. und in Titel und Abspann? Oder wollen Sie lediglich Untertitel spendieren, aber den Film stets in der Originalsprache abspielen lassen?
Ich ahne es, Sie fragen sich: “Muss ich wirklich jetzt darüber nachdenken?”. Ja und nein. Sofern Sie ohnehin nur Untertitel herstellen wollen oder Sie gar keine Sprache einsetzen, dann brauchen Sie hier nicht weiterzulesen. Warten Sie einfach auf das nächste Kapitel.
Aufwand mit Mehrsprachigkeit
Aha, noch da? Gut: Mehrsprachigkeit hat zwei aufwendige Aspekte:
1. Gesprochene Texte
Der Aufwand, gesprochene Texte in fremden Sprachen aufzunehmen und zu schneiden, hält sich in Grenzen, er ist genauso hoch wie der Aufwand, den Text in der Originalsprache aufzunehmen. Sofern Sie keinen lippensynchronen Ton einsetzen wollen, ersetzen Sie einfach die Tonspuren und schon haben Sie eine fremdsprachige Version. Bei Sprechern aus dem Off geht das prima.
Bei lippensynchronem Ton, also bei Charakteren, die wirklich die Lippen bewegen, wenn sie sprechen, heißt es leider, dass Sie
a) den Ton lippensynchron neu aufnehmen müssen, was nicht ganz einfach ist und gute Synchronsprecher oder viel Übung erfordert, außerdem einen Tonaufnahmeplatz mit gleichzeitiger Filmprojektion brauchen oder b) den Ton genauso wie den Originalton einfach sprechen lassen, aber die Lippenanimation für Sprache neu anfertigen müssen, was dermaßen aufwendig ist, dass es noch nicht einmal für Blockbuster-Produktionen so gemacht wird.
Wollen Sie meinen Rat hören zu lippensynchronem Text und Mehrsprachigkeit? Hier kommt er: Belassen Sie es bei der Originalspur und blenden Sie Untertitel ein. Aus.
2. Texte, die innerhalb der Szenen verwendet werden
Wenn Sie 3D-Szenen bauen, dann kommen darin oft auch Schriften vor. Es können Buchrücken sein, Straßenschilder, andere Aufschriften, die wichtige Wirkungen erzeugen! In meinem Film EINS gibt es z.B. eine Aufschrift auf einer Glasscheibe, durch die der Charakter nach draußen blickt: “You can do it Ltd.”
Warum nicht gleich alles auf Englisch produzieren?
Für mich war völlig klar, dass diese Firma so heißt. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, dass sie einen deutschen Namen tragen könnte. Dadurch blieb mir der Aufwand erspart, diese Schrift für die deutsche Version zu ändern. Aber ich habe natürlich ein Problem, wenn ich den Film für eine Region übersetzen will, die kein Englisch spricht. Gibt´s nicht? Nun, dann wäre ich bei meinem zweiten Tipp: Wenn Ihr Film international gesehen werden soll und Sie nur eine Sprachversion herstellen wollen, denken Sie darüber nach, es von vornherein ausschließlich auf Englisch zu machen. Ich sage nicht, tun Sie es so, ich rate nur, darüber nachzudenken. Machen Sie einen Spaziergang, wenn Sie bis hier gelesen haben. Die meisten Festivals in Europa verlangen englische Untertitel, wenn der Film nicht in der jeweiligen Landessprache daherkommt.
Auf Sprache verzichten?
Es gibt natürlich einen Trick, der die ganzen Übersetzungsarbeiten und überhaupt alle Fragen der Mehrsprachigkeit mit einem Schlag vom Tisch fegt: Verzichten Sie einfach ganz auf Sprache. Keine gesprochenen Texte in Ihrem Film! Keine oder nur wenig verwendete Aufschriften in den Szenen! Sehr viele kurze Animationsfilme werden heutzutage so produziert! Sicher auch, weil es eine Art Dogma der Filmschaffenden geworden ist: “Don´t tell me, show me!”. Andererseits aber auch, um die Probleme der Mehrsprachigkeit zu umgehen. Falls Sie mit dem Gedanken spielen, auch so vorzugehen: Überlegen Sie sich, welche starke Wirkung aus der Sprache kommen kann. Die Sprache ist vermutlich das stärkste psychoaktive Instrument, das die Menschheit kennt! Als ich behauptete, dass 50% der Wirkung aus dem Bild kommen und 50% aus dem Ton, habe ich verschwiegen, dass die Tonwirkung sich noch mal aufteilt in 25% Sprache und 25% Musik bzw. Umgebungsgeräusche. Dennoch ist es reizvoll, jegliche Sprache wegzulassen in Anbetracht einer internationalen Verwertung Ihres Films.
Übung
Schauen Sie Ihren Lieblingsfilm ohne die Sprache, vermutlich also ganz ohne Ton. Wie viel bleibt noch übrig? Film ist verdichtete Information auf vielen Kanälen. Sprache ist sehr informationsdicht. Können Sie auf diesen Kanal mit seiner starken Wirkung wirklich verzichten? Ja? Nun gut, ich will Sie nicht abhalten. Es gibt übrigens sehr gute Beispiele für Filme, die ohne Sprache funktionieren. Ich empfehle hierzu, “Pump Action” oder “Mantis” zu schauen.Pump Action auf Youtube, PhilMcNally, 2000
Pump Action als Quicktime, von Phil McNally, 2000
Mantis auf Youtube, von Grzegorz Jonkajtys
Weglassen ist Wirkung
Und noch etwas sollte man bedenken, zumindest streckenweise: Das Fehlen eines Kanals, also besonders auch des Sprachkanals, erzeugt eine Wirkung für sich! Wie viele Filme werden leider totgeplappert? Sie sehen, ich bin wirklich nicht auf die Verwendung von Sprache festgelegt. Sie müssen herausfinden, was Ihr Film braucht und die Entscheidung “Sprache oder nicht?” sollte ganz aus Ihrer eigenen Intuition kommen, nicht aus einem Dogma. Beim Weglassen von Sprache sehe ich mehrere Gefahren:
Verlust der Handlungsverdichtung
Sie verlieren mit dem Sprachkanal ein Instrument der Handlungsverdichtung! Haben Sie Sachverhalte zu erklären, die mit Sprache am besten und schnellsten verdeutlicht werden können? Dann sprechen Sie!
Verlust einer Redundanz
Sie können den Sprachkanal einsetzen, um Redundanzen einzubringen. Gerade bei kurzen Filmen kann es passieren, dass dem Zuschauer eine Kleinigkeit entgeht, und er versteht dann den ganzen Film nicht. Redundanzen beugen dieser Gefahr vor. Besonders die entscheidenden Plot-Points (wir kommen später noch dazu) sollten redundant übertragen werden, entweder auf mehreren Kanälen gleichzeitig oder sogar zeitlich hintereinander mehrfach, z.B. durch Bezugnahme im Text.